Französische Schüler gehen sächsischer Industriekultur auf die Spur

Über 18 Stunden Anreise und dicke Schneeflocken in Chemnitz konnten den Schülern und Pädagogen des Collège de la Dombes im französischen St.-André-de-Corcy nichts anhaben, als Gästeführerin Veronika Leonhardt (hinten, 2. von links) sie gestern vor dem Judith-Lucretia-Portal des Chemnitzer Rathauses zum Start des einwöchigen Austauschprogramms am Johann-Wolfgang-von-Goethe-Gymnasium willkommen hieß. Auch Richard Hartmann und David Gustav Diehl, zwei Chemnitzer Industrielle mit elsässischen Wurzeln, streifte sie – historisch gewandet – in ihrer Darstellung.

 
Foto: Thomas Blaudeck

Chemnitz. Seit einem Vierteljahrhundert pflegt man am Johann-Wolfgang-von-Goethe-Gymnasium in Chemnitz einen regelmäßigen Austausch mit der französischsprachigen Welt. Zu Beginn des diesjährigen Besuchs erwiesen die Chemnitzer ihren Gästen aus der Nähe von Lyon am Freitagnachmittag einen besonderen Willkommensgruß.

Zunächst trat Veronika Leonhardt in Gestalt von Paula Möbius auf und nahm die Schüler mit auf eine Entdeckungsreise ins Rathaus und auf den Hohen Turm. Paula Möbius war die zweite Ehefrau des Chemnitzer Stadtbaurates Richard Möbius (1859-1945), seines Zeichens Schöpfer des Neuen Rathauses.

Ziel des Chemnitz-Aufenthaltes der französischen Schüler aus der 3100-Einwohner-Gemeinde St. André-de-Corcy ist es, der sächsischen Industrietradition in Chemnitz und dem Erzgebirge auf die Spur zu kommen. Daher weiß Leonhardt folgenden Bezug zum heutigen Frankreich zu vermitteln: „Selbst überzeugten Sachsen kaum bekannt sein dürfte der Umstand, dass der Chemnitzer Lokomotivkönig Richard Hartmann (1809-1878) sowie David Gustav Diehl (1823-1903), der Gründer der Chemnitzer Union als der ältesten noch existierenden Werkzeugmaschinenfabrik Deutschlands, manche sagen Europas, aus dem Elsass stammen“, erklärt die Stadtführerin.

Nach der Rathausführung erklangen noch vom Carillon im Turm des Neuen Rathauses ein Potpourri französischer Melodien, darunter Au claire de la lune, Sur le pont d’Avignon und die Marseillaise, für diesen Anlass von den Chemnitzer Carilloneuren extra für das Glockenspiel umgesetzt, aber auch Werke südwestsächsischer Komponisten wie Friedrich Glier (1891-1953).

Hintergrund: Der Schüleraustausch mit Frankreich am Johann-Wolfgang-von-Goethe-Gymnasium wurde 1991 von engagierten Pädagogen ins Leben gerufen. Nach dem nordfranzösischen Arras und dem Heilbad Spa in der belgischen Wallonie ist seit 2015 die Gemeinde St. André-de-Corcy Partner der Chemnitzer. Unterstützung erfährt das Schüleraustauschprojekt vom deutsch-französischen Jugendwerk, der internationalen Bildungskooperation im Landesamt für Schule und Bildung (ehemals Sächsische Bildungsagentur) sowie dem Förderverein des Johann-Wolfgang-von-Goethe-Gymnasiums.