Geschichten aus Chemnitz – 1948 – Konkurrenz für schöne Beine –

ARWA
Zur Leipziger Messe hörte die Welt von dem hauchzarten Damenstrumpf aus Perlon, der in den Arwa-Werken im Chemnitzer Strumpfgebiet geschaffen wurde.
Der westliche Nylonstrumpf hatte am 29. September 1948 offiziell eine gleichwertige Konkurrrenz erhalten.
 
August Robert Wieland  entstammte einer armen Strumpfwirkerfamilie. 1880 kaufte er mit finanzieller Hilfe seiner Eltern die erste eigene Maschine zur Strumpfherstellung, später kamen noch mehrere andere Maschinen dazu.
 
Wohnhaus Wieland
 
 
 
Im Haus Am Anger 5 in Auerbach (Erzgebirge) wirkte A. Robert Wieland 1881–1891 Strümpfe. 
 
Schließlich verwirklichte er mit drei weiteren Teilhabern seinen Traum von einer eigenen Strumpffabrik. Nach und nach konnte er die Teilhaber auszahlen und wurde alleiniger Fabrikbesitzer, der 1897 bereits 50 Arbeiter beschäftigte. Mit Hilfe seines Schwiegersohnes Paul Thierfelder erfand er ein Verfahren, bei dem Strümpfe mit Ferse in einem Arbeitsgang hergestellt werden können. Zwischen 1920 und 1930 erlebte die Firma ihre größte Blüte. 1920 ließ Robert Wieland in Auerbach eine neue Fabrik bauen, die in den folgenden Jahren immer weiter um- bzw. ausgebaut wurde. Weitere Neubauten folgten. 1921 waren mehr als 400 Arbeiter bei Wieland beschäftigt. 1927 entstand der Markenname „ARWA“ für August Robert Wieland Auerbach.
 
Nach der Insolvenz der Sächsische Sägen- und Federstahlwarenfabrik Emil Riedel zog am 1.3.1928 die Strumpffabrik „ARWA“ (August Robert Wieland Auerbach) in das Fabrikgebäude an der Oststraße 137 ein. Hier arbeiteten anfangs 100 Beschäftigte – vor allem Frauen. Betriebsleiter des neuen Chemnitzer Zweigwerkes war Alwin Fischer. Der Firmenname wurde nun geändert in „A. Robert Wieland Feinstrumpf-Großwerke Auerbach und Chemnitz“. Produziert wurde weiterhin in Auerbach, dann kamen die Strümpfe nach Chemnitz in die Färberei Förster auf der Limbacher Straße und wurden von dort in die Oststraße 137 gebracht. Hier erfolgte die Appretur (Formgebung), Aufmachung (Sortieren, Kennzeichnen, Falten und Verpacken), sowie der Versand. In die Fabrik an der Oststraße zogen auch das Stadtkontor und die Verkaufsräume, die sich vorher in der Lohstraße befunden hatten.
 
Wieland setzte sich für grundlegende Änderungen bei der Lehrlingsausbildung ein. Er hatte die erste und einzige Lehrlingswerkstatt für Wirkerlehrlinge in dieser Zeit in Sachsen. Für auswärtige Lehrlinge wurde ein Wohnheim eingerichtet. Für die Angestellten gab es Duschen und Waschräume. Im Chemnitzer Firmengelände gab es sogar ein kleines Schwimmbad, welches in der Mittagspause genutzt werden konnte. 1937 organisierte er für 800 Mitarbeiter eine einwöchige Urlaubsreise mit einem Sonderzug nach Oberbayern.
 
Inzwischen war die Beschäftigtenzahl in Chemnitz nach zehn Jahren auf 200 gestiegen. Als Wieland 1939 das Chemnitzer Unternehmen „Textilsyndikat GmbH – Tesyra (Textilsyndikat Hans Thierfelder KG & Herbert Dittrich AG Meinersdorf) kauft, wächst die Zahl der Beschäftigten auf 1.170 an, die in seinen Werken in Auerbach, Chemnitz, Gelenau, Meinersdorf und Zwönitz arbeiten.
 
1940 stirbt August Robert Wieland, seine Tochter Rosa übernimmt nun die Leitung der Firma. Wielands Enkel Hans Thierfelder wurde bereits 1936 Prokura erteilt. Er wurde 1937 von seinem Großvater zum Betriebsführer bestellt, hatte jedoch selbst keine Anteile am Unternehmen. Er führte nach seinem Kriegsdienst die Firma weiter. Doch bereits am 30.6.1946 wurde die Firma per Volksentscheid enteignet, da „ARWA“ an der Rüstungsproduktion beteiligt war. Hans Thierfelder zog mit seiner Frau nach West-Berlin und baute später in der Bundesrepublik eine neue Strumpffabrik „ARWA“ auf.
 
Noch bis 1956 war der enteignete Betrieb in Chemnitz präsent, wurde aber mit Betrieben anderer enteigneter Strumpfhersteller zusammengefasst in den VEB ESDA Thalheim und schließlich aus Chemnitz verlegt.
Nach der Enteignung von ARWA 1946 1946 bezog  der VEB Federnwerk Karl-Marx-Stadt den Industriestandort.
 
Bei dem Unternehmen ARWA handelte es sich neben dem von Louis Bahner in Oberlungwitz (Marke ELBEO) um einen der größten Strumpfwarenhersteller in Deutschland in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Die Marke ARWA wurde später zu einem Symbol des westdeutschen Wirtschaftswunders und galt durch die Wurzeln in der erzgebirgischen Wirkertradition lange Zeit als Traditionsunternehmen.
 
Die Bildmarke in zeitgenössischer expressionistischer Grafik zeigt eine senkrecht nach unten gerichtete rote Pfeilspitze, die oben in der abstrahierten Form einer fünfzackigen Krone endet, und in deren Mitte ein schwarzer Damenstrumpf abgebildet ist. Unter dem Pfeil befinden sich die vier schwarzen Buchstaben mit jeweils einer schwarzen Raute in den Buchstaben-Zwischenräumen. Den unteren Abschluss bildet ein liegender roter Balken, dessen Enden die Neigung der beiden Buchstaben A aufnehmen, wodurch ein der Pfeilspitze entgegen nach oben weisendes Dreieck angedeutet wird. Schöpfer der Marke waren August Robert Wieland und dessen Sohn Max Robert Wieland. Sie ließen sie als Warenmarke in vielen Ländern Europas und den USA eintragen.
 
Ende der 1930er Jahre wurde neben dieser Marke eine weitere entwickelt: die Buchstaben ARWA in weiß auf rotem Grund. Beide Marken fanden bis 1946 Anwendung.
 
Nachdem das Stammwerk in Auerbach in der damaligen sowjetischen Besatzungszone durch den Volksentscheid vom 30. Juni 1946 enteignet worden war, wurde es der Industriezweigeleitung Wirkerei unterstellt. Später ging die Verwaltung auf die Vereinigung Volkseigener Betriebe (VVB) Trikotagen und Strümpfe über. Im Jahr 1948 entstand der neue Markenname Esda (Erzgebirgische Spezial Damenstrümpfe Auerbach), da der alte Markenname im neuen sozialistischen System nicht mehr bestehen sollte.
 
Hans Thierfelder, Enkel des Firmengründers A. Robert Wieland, gründete im Jahr 1948 im württembergischen Backnang eine Strumpffabrik mit dem Namen ARWA, die kurze Zeit später nach Unterrot, einem heutigen Ortsteil der Stadt Gaildorf, verlagert wurde. Beibehalten wurde die Bildmarke (weiße Schrift auf rotem Grund). Der fünfzackige Pfeil fand keine Verwendung mehr. Ab diesem Zeitpunkt gab es den Namen und die Marke ARWA nur noch in Westdeutschland. Im September 1973 musste sich der Konzern der Konkurrenz beugen und wurde vom Konzern Hudson (jetzt Kunert Fashion) übernommen.